2.1 Einleitung

In diesem Kapitel werden die in der Schweiz vorliegenden wissenschaftlich gestützten Informationen zu den Ressourcen und Belastungen der Lebenswelten von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen vorgestellt. Dabei werden soziale, ökologische und ökonomische Aspekte berücksichtigt und im Hinblick auf Fragen der Chancengleichheit diskutiert. Die Zusammenstellung von zentralen Daten und Studienergebnissen aus der Schweiz wird ergänzt durch eine Befragung von Expertinnen und Experten aus der Kinder- und Jugendpolitik. Weiterführende Informationen finden sich in aktuellen gesamtschweizerischen Übersichtspublikationen, insbesondere dem Familienbericht (BFS, 2017a), dem Bildungsbericht (SKBF, 2018) und dem Sozialbericht (BFS, 2019a).

     Die soziale und ökologische Umwelt sowie die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sind seit der Verabschiedung der Ottawa-Charta im Jahr 1986 anerkannte Elemente der Gesundheitsförderung. Diesem Ansatz entsprechend sind Interventionen darauf ausgerichtet, ebendiese Bedingungsfaktoren zu verändern und über diesen Weg die Gesundheit der Bevölkerung positiv zu beeinflussen. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang das von der Schweiz Anfang 1997 ratifizierte UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes. Darin wird festgehalten, dass jedes Kind das Recht auf freie Meinungsäusserung, ein Recht auf das erreichbare Höchstmass an Gesundheit, ein Recht auf Bildung sowie ein Recht auf Ruhe, Freizeit und Spiel hat. Weiter sollen Kinder vor allen Formen von Gewalt geschützt werden.1

     Die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen ist einem stetigen Wandel unterworfen. Im Mutterleib und unmittelbar nach der Geburt stehen die starken und engen Bindungen innerhalb der Kernfamilie – zwischen dem Kind, der Mutter und den nächsten Bezugspersonen – im Vordergrund. In der Kleinkindphase kommen Schritt für Schritt erste Bezugspersonen ausserhalb der Kernfamilie zum sozialen Netz hinzu. Mit dem Eintritt in den Kindergarten und die Schule wird die soziale Interaktion mit Gleichaltrigen und Lehrpersonen zunehmend wichtig. Das soziale Spektrum erweitert sich auf diese Weise immer mehr; von der Kernfamilie zur Kindertagesstätte über Schule, Beruf und Freizeitaktivitäten erhöht sich die Anzahl der Lebensfelder stetig. Damit verknüpft ist das soziale Netz, das sich mit der Zeit ausweitet – und je nach Umfeld auch wieder an Bedeutung verlieren kann. Als Konstante über die Lebenszeit kann aber beobachtet werden, dass gute soziale Beziehungen zu nahestehenden Personen, zu Freunden und Nachbarn zu den zentralen Bedingungen für eine gute Gesundheit zählen (Bachmann, 2014). In der folgenden Grafik sind die für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene wichtigen Lebensfelder und Rahmenbedingungen dargestellt.

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     Für die Entwicklung und den Erhalt der Gesundheit über die gesamte Lebensspanne ist aber nicht nur von Bedeutung, welchen Einfluss die Lebenswelten auf die Kinder und späteren Erwachsenen haben (dargestellt durch die Pfeilrichtung von aussen nach innen). Ebenfalls wichtig ist, welche Gestaltungsmöglichkeit die betroffenen Personen in Bezug auf ihre Lebenswelt haben und in welchem Ausmass sie diese auch wahrnehmen (Pfeilrichtung von innen nach aussen). Für eine gesunde Entwicklung ist es entscheidend, dass Kinder die Erfahrung machen, die eigene Welt mitgestalten sowie am gesellschaftlichen Leben partizipieren zu können (Rieker, Mörgen, Schnitzer, & Stroezel, 2016).