7.4 Körperliche (In-)Aktivität

So wie eine gesunde und ausgewogene Ernährung ist auch ausreichende Bewegung kurz- und langfristig mit zahlreichen Vorteilen für die Gesundheit junger Menschen verbunden. Unter anderem trägt sie zum allgemeinen Wohlbefinden bei, verbessert die Knochen- und Muskelbeschaffenheit und reduziert das Risiko, später an gewissen NCD zu erkranken (INSERM, 2014b). Umgekehrt können sich Bewegungsmangel und langandauerndes Sitzen, beispielsweise vor einem Bildschirm (siehe Kapitel Digitale Medien), negativ auf die Gesundheit auswirken (Werkhausen et al., 2014).

     Die WHO empfiehlt für Kinder unter 1 Jahr mindestens 30 Minuten körperliche Aktivität pro Tag und für die 1- bis 4-Jährigen mindestens 180 Minuten (WHO, 2019). Gemäss den Empfehlungen des Netzwerks Gesundheit und Bewegung Schweiz (hepa.ch) sollten sich Jugendliche gegen Ende des Schulalters mindestens 1 Stunde pro Tag mit mittlerer bis hoher Intensität und jüngere Kinder deutlich mehr als 1 Stunde pro Tag bewegen (hepa.ch, 2013b). Für Erwachsene im erwerbsfähigen Alter wird empfohlen, mindestens 2½ Stunden pro Woche mit mittlerer Intensität körperlich aktiv zu sein oder 1¼ Stunden mit hoher Intensität Sport zu betreiben oder körperlich aktiv zu sein (hepa.ch, 2013a).

     Hingegen gibt es keine genauen Empfehlungen für die im Sitzen oder Liegen verbrachte Zeit, aber es scheint wichtig, sitzende Tätigkeiten den ganzen Tag über häufig zu unterbrechen (Werkhausen et al., 2014).

Niveau der körperlichen (In-)Aktivität


In der Schweiz existieren im Gegensatz zur KiGGS-Studie in Deutschland (Krug et al., 2018) und der Studie über den Lebensmittelverzehr in Belgien (Cuypers et al., 2016) keine publizierten repräsentativen Daten für Kinder unter 6 Jahren.

     In der repräsentativen nationalen SOPHYA-Studie (Swiss children’s Objectively measured PHYsical Activity), die 2013/2014 bei 6- bis 16-jährigen Kindern und Jugendlichen anhand von Standardinterviews (Antworten der Eltern oder Bezugspersonen für die 6- bis 11-Jährigen) durchgeführt wurde, wurden erstmals während sieben Tagen Beschleunigungsmesser 7 eingesetzt (Bringolf-Isler et al., 2016). Die Studie zeigt, dass sich die grosse Mehrheit der 6- bis 10-Jährigen an die aktuelle Empfehlung hält, sich mindestens 60 Minuten pro Tag mit mittlerer bis hoher Intensität zu bewegen (Grafik G7.1), während dies bei den 11- bis 16-Jährigen nicht der Fall ist. Die Jungen halten ich öfter an die Empfehlung als die Mädchen.8

     Im Übrigen verbringen die 6- bis 16-Jährigen rund 90% ihrer täglichen Zeit (ausserhalb der Schlafenszeit) im Sitzen oder Liegen oder mit körperlichen Aktivitäten von geringer Intensität. Dabei ist zu beachten, dass die im Sitzen oder Liegen verbrachte Zeit über die Altersgruppen ansteigt, während diejenige, in der eine körperliche Aktivität mit mittlerer bis hoher Intensität ausgeübt wird, abnimmt.

  • 7Es kann schwierig sein, sich die Bewegungsepisoden im Detail in Erinnerung zu rufen. Um eine zuverlässige Messung zu erhalten, muss daher ein Bewegungsmesser (ein oft auf der Hüfte getragenes Gerät, das die von den Bewegungen der Person verursachten Beschleunigungen und Verlangsamungen registriert) verwendet werden (Rowlands, 2007).
  • 8Im Rahmen der HBSC-Studie 2018 wurde anhand der Frage «An wie vielen der vergangenen 7 Tage warst du mindestens für 60 Minuten körperlich aktiv? Zähle bitte die gesamte Zeit zusammen, die du pro Tag körperlich aktiv warst.» eine deutlich geringere Prävalenz erfasst. Dieses Ergebnis steht im Zusammenhang mit der Methodik der Studie (von den Schüler/innen angegebene und nicht mit einem Bewegungsmesser gemessene Werte). Gemäss dieser Studie ist der Anteil der 11- bis 15-jährigen Jugendlichen, die die Empfehlung von mindestens 60 Minuten körperlicher Aktivität pro Tag befolgen, seit 2002 relativ konstant geblieben (Delgrande Jordan et al., 2020). Zudem hat die Studie 2018 keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den Kindern und Jugendlichen, deren Eltern beide in der Schweiz geboren sind, und den anderen Jugendlichen ergeben.
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G7.1

     Gemäss dem Index der körperlichen Aktivität9 der SGB 2017 ist der Anteil der 16- bis 25-Jährigen, die als ausreichend körperlich aktiv betrachtet werden können (nach der Empfehlung für Personen im erwerbsfähigen Alter), bei den jungen Männern ebenfalls grösser als bei den jungen Frauen (Grafik G7.2). In der gleichen Altersgruppe verbringen 19,5% der jungen Männer und 22,7% der jungen Frauen an den Wochentagen mindestens 10 Stunden im Sitzen. Demgegenüber verbringen 14,1% beziehungsweise 9,5% weniger als 3 Stunden sitzend.

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G7.2

Bewegungsformen


Zur körperlichen Aktivität zählen nicht nur der Sportunterricht in der Schule und der in der Freizeit ausgeübte Sport, sondern auch verschiedene Aktivitäten wie schnelles Gehen, Fortbewegung mit dem Velo oder das Austoben mit Freunden.

Sportliche Aktivitäten


Die repräsentative nationale Befragung Sport Schweiz, die 2000, 2008 und 201410 durchgeführt wurde, ist das wichtigste Erhebungsinstrument zum Thema Sport in der Schweiz. Sie beinhaltet eine Befragung bei der 15- bis 74-jährigen Wohnbevölkerung und seit 2008 zusätzlich eine Befragung bei den 10- bis 14-Jährigen. 2014 betrieben 13% der 10- bis 14-jährigen Jungen und 16% der gleichaltrigen Mädchen keinen Sport im weiten Sinn11 , 7% bzw. 17% waren bis zu 3 Stunden pro Woche und 80% bzw. 67% mehr als 3 Stunden pro Woche sportlich aktiv (Lamprecht, Fischer, Wiegand, et al., 2014.

  • 10Die Ergebnisse der aktuellsten Durchführung dieser Befragung werden 2020 veröffentlicht (www.baspo.ch).
  • 11Sport im weiten Sinn: ausserhalb des obligatorischen Sportunterrichts, organisierter und sporadischer Sport sowie nicht organisierte und sporadische sportliche Aktivitäten wie Skifahren, Familienwanderungen, Fussball mit Freunden.

Die 10- bis 19-Jährigen trieben 2014 weniger Sport als 2008.

Die 15- bis 19-Jährigen machen im Vergleich weniger Sport: 16% der Jungen und 24% der Mädchen betrieben keinen Sport im weiten Sinn, 11% bzw. 20% waren bis zu 3 Stunden pro Woche und 73% bzw. 56% mehr als 3 Stunden pro Woche sportlich aktiv. Im Jahr 2014 bewegten sich die 10- bis 19-Jährigen weniger als 2008. Die Mädchen treiben weniger Sport als die Jungen, die ausserdem bei der Wahl der Sportarten teilweise andere Vorlieben haben (Lamprecht, Fischer & Stamm, 2014).

Zurücklegen von Wegstrecken


Viele junge Menschen bewegen sich aktiv auf dem Weg beispielsweise zur Schule oder zu ihren Freizeitbeschäftigungen. Gemäss dem Mikrozensus Mobilität und Verkehr (Bundes­amt für Statistik [BFS], 2017) waren 2015 der Fuss- und Veloverkehr (einschliesslich E-Bike) die wichtigsten sind Fortbewegungsarten der 6- bis 17-Jährigen. Bei den 18- bis 24-Jährigen sinkt der Anteil des Fuss- und Veloverkehrs – aufgrund der Möglichkeit zur Erlangung des Führerausweises – zugunsten des Autoverkehrs. Aus der SGB 2017 geht hervor, dass 26,4% der jungen Männer und 23,5% der jungen Frauen im Alter von 16 bis 25 Jahren für das Zurücklegen von Wegstrecken normalerweise das Velo benützen (ohne Präzisierung, ob E-Bike oder nicht) und 42,7% beziehungsweise 47,6% zu Fuss gehen.