4.9 Fazit und Ausblick

Erfreulicherweise ist der Grossteil der Kinder in der Schweiz bei Geburt gesund und entwickelt sich sowohl körperlich als auch geistig und sozial erwartungsgemäss. Nichtsdestotrotz werden Kinder akut krank oder erleiden Unfälle, auch geht es nicht allen Kindern in der Schweiz gleichermassen gut.

     Akute Erkrankungen im Kindesalter, vor allem Infektionen und Unfälle, heilen in ­aller Regel aus und verursachen keine bleibenden gesundheitlichen Folgen. Dennoch: Es verstarben im Jahr 2018 24 Kinder, von 0 bis 14 Jahren, an Unfällen, ebenso viele wie an Krebserkrankungen (Beratungsstelle für Unfallverhütung, 2018b, p. 9), und auch an Infektionserkrankungen versterben jedes Jahr circa fünf Kinder (BFS, 2013–2016). Unfallprävention und hohe Durchimpfungsraten sind daher von hoher Public-Health-Relevanz. Einige Erkrankungen oder Gesundheitsrisiken, wie zum Beispiel Karies oder chronische Schmerzen folgen sozialökonomischen Mustern. Karies ist vermeidbar und behandelbar. Dennoch ist Karies eine der häufigsten Erkrankungen im Kindesalter und weist sozioökonomischen Unterschiede auf. Ähnliche Hinweise gibt es bezüglich chronischer Schmerzen im Kindes- und Jugendalter. Obgleich für die Schweiz kaum verlässliche Daten vorliegen, weisen sowohl die HBSC-Studie, und die SGB ebenso wie internationale Daten auf eine hohe Prävalenz und auf sozioökonomische Unterschiede hin. Schmerzen gehen mit einem hohen Risiko der Chronifizierung (Harreby et al., 1999; Walker et al., 2010) einher und generieren hohe Gesundheitskosten (Tumin et al., 2018). Im Blick zu behalten sind die steigenden Zahlen einiger sexuell übertragbarer Krankheiten, auch wenn die gestiegene Prävalenz möglicherweise Folge vermehrter Testungen sind. Einige dieser Erkrankungen werden bei unter 26-Jährigen besonders häufig diagnostiziert, so 50% der Chlamydien- und Gonorrhoe-Infektionen. Wenngleich weniger HIV-Fälle registriert werden, gehen diese Infektionen aufgrund ihrer lebenslangen Konsequenz mit einer hohen Krankheitslast einher und Präventionsmassnahmen sind weiterhin wichtig.

     Pädiatrische Vorsorgeuntersuchungen, die Betreuung durch Hebammen und Mütter- und Väterberatungen in der frühen Kindheit und die Schulärztlichen Screenings im Schulalter spielen für die Sicherung einer gesunden Entwicklung der Kinder und Jugendlichen eine zentrale Rolle. Hierbei geht es nicht nur um objektive Parameter wie Grösse und Gewicht, Visus- oder muskuloskelettale Beurteilung, sondern auch um die subjektive Gesundheit.

     Für einige relevante Erkrankungen oder Entwicklungen können aufgrund fehlender Daten respektive fehlender standardisierter Erhebung und Dokumentation für die Schweiz keine eindeutigen Aussagen gemacht werden. Zum Beispiel kann die international beobachtete Zunahme der Kurzsichtigkeit im Kindesalter für die Schweiz nicht mit Sicherheit beurteilt werden. Die zunehmende Digitalisierung der Versorger und der Gesundheitsdaten könnten in Zukunft Abhilfe schaffen.

     Kantonale Bestandsaufnahmen zur Motorik weisen seit Jahren unveränderte motorische Fähigkeiten von Primarschulkindern aus. Solche positiven Botschaften können nur aufgrund regelmässiger Erhebungen und Auswertungen der Daten gemacht werden. Kognitive Fähigkeiten und Sprachentwicklung werden mittels der ärztlichen Vorsorgeuntersuchungen vor allem im Schulsystem beurteilt. Ausser den Meldungen an die Invalidenversicherung im Falle von angeborenen Behinderungen liegen auf nationaler Ebene keine ärztlich erhobenen Daten vor. Ein neues Register für frühe sonderpädagogische Massnahmen erfasst im Kanton Zürich nun erstmals alle Schulkinder, für welche die Abklärung einer Entwicklungsstörung empfohlen wird. Genaue Zahlen sind auch hinsichtlich der zunehmenden Integration von Kindern mit Behinderung in die obligatorischen Schulen wichtig.

     Objektiven Gesundheitsdaten sind subjektive Einschätzungen des allgemeinen Gesundheitszustands gegenüberzustellen. Diese sind erfreulich hoch. Der Anteil der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die in Abhängigkeit von Alter, Geschlecht und Sozialstatus der Eltern berichten, sich nicht gesund und wohl zu fühlen, darf aber nicht vernachlässigt werden. Zudem werden zu selten Kinder und Jugendliche selbst gefragt, wie es ihnen geht und welche Gesundheitsprobleme sie haben. Die Sicherstellung einer gesunden Entwicklung und der Erhalt der Gesundheit sowie die Prävention und frühzeitige Erkennung von potenziell risikoreichen Erkrankungen bedarf Fachpersonen und Infrastruktur (siehe Kapitel Gesundheitsversorgung), aber auch eine hohe Gesundheitskompetenz von Eltern, Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen (siehe Kapitel Gesundheitsverhalten). Für ein Monitoring und die Beurteilung der gesunden Entwicklung und Gesundheit der Schweizer Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf nationaler Ebene benötigt die Schweiz nationale Daten. Für viele Gesundheitsdeterminanten oder Krankheiten, Entwicklungsschritte und -indikatoren und deren Bedeutung im Lebensverlauf liegen für die Altersgruppe 0–25 Jahren aktuell keine nationalen oder longitudinalen Daten und teilweise auch keine Normdaten aus der Schweiz vor.