8.2 Das Mediennutzungsverhalten von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der Schweiz

Das Mediennutzungsverhalten ist stark altersabhängig. Sind es für Kinder im Vorschulalter vor allem (Bilder-) Bücher, Radio/Musik, Fernsehen und Hörspiele, die eine wichtige Rolle spielen, so kommen während der Primarschule zunehmend weitere Medien hinzu. Primarschülerinnen und Primarschüler machen erste Gehversuche im Internet. Spätestens beim Übertritt in die Oberstufe erhalten die Jugendlichen ein eigenes Smartphone und haben so direkten Zugang zum Internet.

Der Medienumgang von Kindern im Vorschulalter (4 bis 6 Jahre)


Der Medienumgang von Kleinkindern rückte in den letzten Jahren vermehrt in den Fokus, wird aber immer noch wenig erforscht (Chaudron, 2015; Feierabend, Plankenhorn & Rathgeb, 2015; Könitzer, Jeker & Waller, 2017). Die meisten Studien im europäischen Raum sind qualitativer Art, Ausnahmen bilden die beiden deutschen Studien MiniKIM (Feierabend et al., 2015) und BLIKK (Buesching, Riedel & Brand, 2017) sowie eine Schweizer Studie, die von der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften durchgeführt wurde (Bernath et al., 2020). Die ZHAW-Studie (N = 879) zeigt, dass Kinder im Vorschulalter (4 bis 6 Jahre) gemäss Angaben ihrer Eltern am häufigsten klassische Medien wie (Bilder-)Bücher, Radio und Fernseher nutzen. Die durchschnittliche Bildschirmzeit (Fernseher und Videogames) beträgt pro Tag rund 56 Minuten, der Median ist 30 Minuten. Kinder aus Haushalten mit niedrigen formalen Bildungsabschlüssen sitzen länger am Bildschirm als Kinder aus Haushalten mit mittlerer oder hoher formaler Bildung. Aber auch die Einstellung der Eltern zu den elektronischen Medien ist positiver, je länger die Zeit, die ihre Kinder vor dem Bildschirm verbringen. Positiv assoziiert mit der Bildschirmzeit sind aber auch nicht-mediale Aktivitäten, wie zum Beispiel Spielen, Sport treiben oder kreativ tätig sein. Dieser kontraintuitive Befund legt den Schluss nahe, dass bei Kindern mit grossem Aktivitätsbedürfnis sich dies sowohl medial wie auch nicht-medial bemerkbar macht. Kinder im Vorschulalter sind im Schnitt 333 Minuten pro Tag (Median: 300 Minuten) mit Spielen, Sport oder kreativen Tätigkeiten beschäftigt (Bernath et al., 2020).

Der Medienumgang von Kindern im Primarschulalter (6 bis 12 Jahre)


Über den Medienumgang von Kindern im Primarschulalter lässt sich – basierend auf einer Reihe von Studien (Feierabend, Plankenhorn & Rathgeb, 2017; Genner et al., 2017; Suter, Waller, Genner, Oppliger, et al., 2015) – folgendes Bild zeichnen: Sie haben in ihren Haushalten ein breites Medienangebot zur Verfügung. Die meisten Geräte und Abonnemente sind aber im Besitz ihrer Eltern und werden durch diese oft auch kontrolliert. Über ein eigenes Mobiltelefon verfügen gemäss einer repräsentativen Schweizer Studie (Genner et al., 2017) rund 50% der 6- bis 12-jährigen Kinder. Das am häufigsten genutzte Medium ist das Fernsehen: 44% nutzen es täglich oder fast täglich, 38% einmal oder mehrmals pro Woche, danach folgen Musik hören, Bücher lesen und das Spielen von Video­games. An fünfter Stelle steht die Nutzung des Internets, danach folgen Mobiltelefon, Heftchen/Comics und Tablet, und schliesslich lesen wenige der Kinder in diesem Alter und meistens nur selten Tages- und Gratiszeitungen (siehe Grafik G8.1).

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G8.1

     Der Medienumgang von Kindern im Primarschulalter unterscheidet sich zwischen den Geschlechtern. So spielen Jungen häufiger regelmässig Videogames (76% tun dies mindestens einmal pro Woche) als Mädchen (55%). Auch das Internet (65%) und Tablets (54%) nutzen Jungen häufiger regelmässig als Mädchen (Internet: 53%; Tablet 40%). Demgegenüber lesen Mädchen öfters Bücher (77%), nutzen öfters Hörbücher (33%) oder machen mehr Fotos und Videos (46%) als Jungen (Bücher: 67%; Hörbücher: 24%; Fotos und Videos: 32%).

     Nach Altersgruppe betrachtet, zeigen sich während der Primarschule deutliche Veränderungen in der Art der benutzten Medien (vgl. dazu Tabelle T8.1).

     Die zum Teil markanten Veränderungen im Medienumgang hängen einerseits mit der besseren Verfügbarkeit von verschiedenen Medien zusammen, anderseits mit neu angeeigneten Kompetenzen wie Lesen und Schreiben. Gegen Ende der Primarschule besitzen rund 80% der Kinder ein eigenes Smartphone und verfügen somit ab diesem Zeitpunkt über einen eigenen – von den Eltern nicht mehr kontrollierbaren – Internetzugang.

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T8.1

Der Medienumgang von Jugendlichen und jungen Erwachsenen


Medien bleiben wichtig, auch während den Jugendjahren (Heeg & Steiner, 2019). In dieser Zeit sind etliche Entwicklungsaufgaben zu bewältigen, die durch den Medienumgang unterstützt oder behindert werden können (siehe auch Abschnitt zu Entwicklung).

     Beim Übertritt in die Sekundarstufe besitzen in der Schweiz fast 100% der Jugendlichen ein eigenes Smartphone (Suter et al., 2018a; Waller, Willemse, Genner, Suter & Süss, 2016). Dementsprechend liegt dieses auch ganz vorne in der Nutzungsintensität (vgl. auch Grafik G8.2): 99% der 12 bis 18-jährigen Jugendlichen nutzen es täglich oder mehrmals pro Woche, danach folgen das Internet (96%), soziale Netzwerke (90%), Musik hören (86%), Videos im Internet schauen (86%), fernsehen (69%), fotografieren (48%), Radio hören (48%) oder Videogames spielen (38%) (Suter et al., 2018a). Die Nutzung von Mobiltelefonen, sozialen Netzwerken, Gratiszeitungen, Onlinezeitungen und -zeitschriften wie auch das Musikhören nehmen während der Adoleszenz zu. Hingegen spielen ältere Jugendliche weniger Videogames, nutzen seltener Tablets oder lesen weniger Bücher als jüngere Jugendliche. Mädchen im Jugendalter zeigen eine intensivere Nutzung von sozialen Netzwerken und lesen häufiger Bücher und E-Books als Jungen. Jungen andererseits schauen häufiger Videos im Internet, spielen öfters Videogames und nutzen Tablets sowie Smartwatches intensiver. Gemäss Selbstangaben nutzen Schweizer Jugendliche das Internet unter der Woche im Schnitt zwei Stunden und 30 Minuten und am Wochenende vier Stunden pro Tag (Suter et al., 2018a). Das ist circa eine Stunde mehr als 2014. Jugendliche mit Migrationshintergrund nutzen das Internet intensiver als Jugendliche mit Schweizer Hintergrund. Auch in der lateinischen Schweiz ist eine intensivere Internetnutzung auszumachen als in der Deutschschweiz.

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G8.2

     Die mit Abstand am häufigsten benutzten Internetdienste für Adoleszente sind soziale Netzwerke, Suchmaschinen und Videoportale. Diese werden sowohl zu Unterhaltungs- wie auch zu Informationszwecken eingesetzt. Wichtige soziale Netzwerke oder Instant Messenger sind Instagram, Snapchat und WhatsApp. Gerade WhatsApp wird von fast allen Jugendlichen intensiv auf dem Smartphone genutzt. Das eigene Erstellen von Internetinhalten, wie zum Beispiel das Hochladen von Fotos, Videos oder Textbeiträgen, ist für den grössten Teil der Heranwachsenden sekundär. Dementsprechend stellen viele Adoleszente gar nichts in Netz.

     Zur Mediennutzung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 15 und 25 Jahren gibt die schweizerische Gesundheitsbefragung (SGB) aus dem Jahr 2017 Auskunft. In diesem Alter ist die Nutzung des Internets äusserst beliebt: Rund 97% der Befragten nutzen es täglich für private Zwecke. Dabei unterscheiden sich die Befragten in der Nutzung weder nach Geschlecht, Alter noch nach den Landesteilen, in denen sie wohnhaft sind.

     Fernsehen oder Videos schauen sind ebenfalls sehr beliebt: 87,7% derselben Befragten geben an, täglich fernzusehen, 30,2% schauen weniger als eine Stunde pro Tag, 39,7% eine bis zwei Stunden und 17,8% schauen über zwei Stunden fern pro Tag. Männliche Befragte schauen mit einem Anteil von 91,9% häufiger täglich fern als weibliche mit 83,3%. Bezüglich Herkunft gibt es kaum Unterschiede bei der Zahl derer, die täglich schauen, wohl aber in der Nutzungsdauer: Mehr als zwei Stunden täglich Fernseher oder Videos schauen 21,8% der Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Migrationshintergrund, während es bei jenen mit Schweizer Wurzeln 15,6% sind. Vergleicht man die Nutzungsmuster der drei Landesteile, so zeigt sich, dass in der Romandie der Anteil jener, die mehr als zwei Stunden pro Tag fern sehen oder Videos schauen, mit 22,2% am höchsten ist (gegenüber 16,3% in der Deutschschweiz und 13,5% in der italienischsprachigen Schweiz). Jedoch ist auch der Anteil jener, die seltener als täglich diese Medien nutzt mit 13,9% der Höchste im Vergleich zur Deutschschweiz mit 11,8% und der italienischsprachigen Schweiz mit 9,4%.

     Video- und Computerspiele werden von den Befragten deutlich seltener genutzt als Fernsehen oder Videos: 63%, gaben an, diese seltener als jeden Tag zu nutzen. Dabei zeigen sich grosse Geschlechtsunterschiede: 58% der männlichen Jugendlichen und jungen Erwachsenen nutzen Video- und Computerspiele täglich, im Vergleich zu 13,9% der weiblichen. Auch nutzen die jungen Männer und Jungen die Spiele länger: 11,7% spielen mehr als zwei Stunden pro Tag, bei den Mädchen und jungen Frauen sind es dagegen lediglich 1,1%.