Einleitung

Ein Bild der Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der Schweiz, der Einflussfaktoren und Rahmenbedingungen zu zeichnen – das ist das Ziel des vorliegenden Nationalen Gesundheitsberichts 2020. Der Gesundheitsbericht 2020 versteht sich als ein Gefäss, in dem das erste Mal auf nationaler Ebene das Thema «Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen» umfassender dargestellt ist. Mit diesem Bericht sollen politisch Verantwortliche Grundlagen für die Planung effizienter und wirksamer Gesundheitsförderung, Prävention und Gesundheitsversorgung erhalten. Daneben soll ein breiter Adressatenkreis angesprochen werden.

     Um dieses Anliegen zu erreichen, wurden verschiedene Autorenteams beauftragt, die bis Mitte 2019 verfügbaren empirischen Studien, Berichte und Datenquellen zusammenzugetragen. Der Auftrag verlangte, die Literatur ab dem Jahr 2000 aufzuarbeiten, in erster Linie national repräsentative Daten. Bei fehlenden nationalen Daten wurden nach Bedarf lokale Daten beigezogen, um bestimmte Punkte zu illustrieren. Ein Expertengremium mit breitem Fach- und Praxiswissen (Marina Delgrande Jordan, Julia Dratva, Ilona Kickbusch und Susanne Stronski) unterstützte das Obsan bei der Erstellung des Berichts, angefangen bei der Auswahl der Kapitel und teilweise der Autorinnen und Autoren bis zur Review der eingegangenen Manuskripte. Das Kapitel Diskussion und Ausblick wurde auf Grundlage eines gemeinsamen Workshops geschrieben. Sowohl bei den Reviews der Kapitelmanuskripte als auch beim Diskussions-Workshop wurden weitere externe Expertinnen und Experten beigezogen.

     Strategien zur Gesundheit der Kinder und Jugendlichen wurden von der WHO Europa 2005 und 2015 publiziert. In der Schweiz werden Kinder und Jugendliche als ­spezifische Zielgruppe in den beiden Gesamtstrategien des Bundes zur Gesundheit («Gesundheit2020» bzw. «Gesundheit2030») adressiert. «Gesundheit2030» will «…eine Nutzung bisher nicht ausgeschöpfter Potenziale in der Schwangerschaft, der Frühkindphase, im Kindergarten, in der Schule und im Übergang zum Beruf» erreichen. Explizit werden zudem die sozioökonomischen Gruppen und die psychischen Krankheiten erwähnt. Die Gesamtstrategie wird ergänzt durch Strategien und Programme mit Bezug zur Kinder- und Jugendgesundheit sowohl im Gesundheitsbereich (unter anderem NCD-Strategie, Strategie Sucht) als auch in sozialpolitischen Handlungsfeldern (Kinder- und Jugendschutz, Gewaltprävention, Armutsbekämpfung, Integration). Im politikübergreifenden Sinn ist neben der Bundesverfassung insbesondere die Strategie des Bundesrates für eine schweizerische Kinder- und Jugendpolitik aus dem Jahr 2008 Grundstein für den bundespolitischen Umgang mit Kindern und Jugendlichen. Im Jahr 2013 kamen als wichtige Ergänzungen das Kinder- und Jugendförderungsgesetz sowie das Kindes- und Erwachsenenschutzgesetz hinzu (vgl. Kapitel Lebenswelten, Umweltfaktoren und gesellschaftliche Rahmenbedingungen).

     Viele Faktoren tragen zu einer guten Gesundheit bei. Mit welchen sozioökonomischen Verhältnissen, Bildungsmöglichkeiten und Umweltbedingungen ein Kind konfrontiert wird, spielt in Bezug auf seine Gesundheit eine essenzielle Rolle. Welche Verhaltensweisen ein junger Mensch erlernt, ist davon abhängig und beeinflusst die Gesundheit erheblich. Gesundheitspolitik ist eine sektorenübergreifende Aufgabe («health in all policies»).

     Eine der Herausforderungen der vorliegenden Publikation war die Frage, welche Lebensspanne beschrieben werden sollte. Die Phase der Schwangerschaft hat einen grossen Einfluss auf die Gesundheit des Kindes im Lebensverlauf; so war es unbestritten, sie zu integrieren. Aus mehreren Gründen wurde die obere Altersgrenze bei 25 Jahren angesetzt: Viele junge Menschen schliessen ihre Ausbildung zwischen 20 und 30 Jahren ab, und die Integration in den Arbeitsprozess – einem Eintrittspunkt in das Erwachsenen­leben – findet häufig erst in der dritten Lebensdekade statt. Übergänge stellen Phasen einer erhöhten Vulnerabilität für die Entstehung und Entwicklung von Krankheiten dar, was die Integration dieser Altersgruppe in den Bericht rechtfertigt. Ganz allgemein werden Kinder im psychosozialen Sinn später erwachsen als früher. Auch hat die neurowissenschaftliche Forschung festgestellt, dass sich das Gehirn noch über das Alter von 20 Jahren hinaus in einem Reifungsprozess befindet. Um die obere Altersgrenze des Berichts definitiv festzulegen, wurde schliesslich auch die Datenverfügbarkeit berücksichtigt.

     Bei der Erstellung des vorliegenden Berichts war es ein Anliegen, die breite Thematik der «Gesundheit» umfassend darzustellen. Dieser Ansatz der «Breite» verhindert aus Platzgründen an einigen Stellen, bestimmte Analysen oder Themengebiete zu vertiefen. Der Bericht gliedert sich in insgesamt zwölf Fachkapitel: Kapitel 1 und 2 informieren über Demografie und Lebenswelten, Umweltfaktoren und gesellschaftliche Rahmenbedingungen für die Gesundheit. In diesem Kapitel werden insbesondere auch Fragen der Chancengleichheit beleuchtet. Die Thematik vertieft das Kurzkapitel 3 mit dem spezifischen Augenmerk auf «Young Carers», das sind Kinder und Jugendliche, die Familienmitglieder betreuen. Kapitel 4, 5 und 6 befassen sich mit der körperlichen und psychischen Gesundheit sowie den chronischen Krankheiten und Behinderungen. Kapitel 7 fokussiert auf das Gesundheitsverhalten. Welchen Einfluss der digitale Medienkonsum auf die Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen haben kann, wird in Kapitel 8 beschrieben. In Kapitel 9 findet sich eine Darstellung des Bereichs Gesundheitsförderung und Prävention. Es folgt Kapitel 10 mit der Beschreibung der Gesundheitsversorgung im engeren Sinne, jedoch inklusive Früherkennung und Frühintervention. Im Kurzkapitel 11 wird ergänzend «Palliative Care», das heisst Pflege und Betreuung bei lebenslimitiert erkrankten Kindern und Jugendlichen vorgestellt. Den Abschluss machen Diskussion und Ausblick im Kapitel 12, die anregen sollen, die Erkenntnisse in den verschiedensten Politik- und Fachbereichen umzusetzen. Jedes Kapitel beginnt mit den Kernaussagen des nachfolgenden Kapitelinhalts. ­Anschliessend folgen vertiefende Erklärungen.