6.10 Gesundheitsversorgung von Kindern mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen

Die Gesundheitsversorgung von Kindern und Jugendlichen mit chronischen Erkrankungen und Behinderung unterscheidet sich von der Versorgung akut erkrankter und gesunder Kinder (siehe Kapitel Gesundheitsversorgung). Drei eingestreute Fallvignetten zu Asthma, Morbus Crohn und Zerebralparese verdeutlichen die Unterschiedlichkeit und Vielschichtigkeit der Versorgung von Kindern mit chronischen Erkrankungen gegenüber Kindern, die mit einem Geburtsrisiko oder einer Behinderung geboren wurden. Allen gemein ist, dass die chronische Erkrankung, das Gesundheitsrisiko oder ihre Behinderung sie lebenslang begleiten werden. Diese Tatsache allein führt zu einem spezifischen therapeutischen und präventiven Versorgungsbedarf, der weit über das eigentliche Gesundheitssystem hinausgeht. Zu verschiedenen Zeiten im Leben, von der Phase der Schwangerschaft bis ins hohe Alter, benötigen die Betroffenen besondere Angebote, die nicht nur das Individuum direkt, sondern nahezu alle Lebensbereiche, Familie und Freunde, Schule und später auch die Partnerschaft und das Arbeitsleben betreffen.

     Selbstverständlich nehmen sie wie alle anderen Kinder und Jugendlichen auch die bestehende Regelversorgung und Vorsorge in Anspruch. Unabhängig von ihrer spezifischen Erkrankung oder Behinderung werden sie akut krank oder benötigen Impfschutz und andere Vorsorgemassnahmen.

     Eine optimale Versorgungsstruktur, die alle Lebensbereiche mit einschliesst, und gezielte Hilfestellung können zu einem positiven Verlauf von Krankheit und Behinderung beitragen und auch schwer eingeschränkten Kindern ein «normales» gesellschaftliche Leben ermöglichen. Hierzu tragen das Gesundheitssystem und die unterschiedlichen Gesundheitsberufe, das Sozialversicherungssystem ebenso wie Gesundheitsligen und Vereinigungen von Betroffenen bei. Von Seiten der Bildungseinrichtungen sind ebenfalls Anstrengungen und Infrastruktur erforderlich, um die Option einer Inklusion beziehungsweise Integration gemäss UN-Behindertenrechtskonvention und UN-Kinder­rechtskonvention sicherzustellen.

     Viele der Vereinigungen für chronische Erkrankungen oder Behinderung sind nicht ohne Grund von betroffenen Eltern gegründet worden oder aus Selbsthilfegruppen heraus entstanden. Sind Kinder gesundheitlich beeinträchtigt, kann die elterliche Verantwortung für das Kind besonders schwer zu tragen sein. Bei der Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit chronischen Erkrankungen und Behinderung ist daher die Situation der Eltern und Familien mitzuberücksichtigen und Hilfestellungen sind zu planen, damit sie ohne eigene gesundheitliche Gefährdung die zusätzlichen emotionalen und finanziellen Belastungen bewältigen können.

     Erwachsenwerden ist für alle Jugendlichen und Eltern eine herausfordernde Transition. Für Jugendliche mit chronischen Erkrankungen oder Behinderung stellen sich hinsichtlich ihrer Selbständigkeit, Partnerschaft und ihrem beruflichen Werdegang häufig zusätzliche Fragen. Hier spielen die Pädiatrie und Adoleszentenmedizin eine grosse Rolle in der Aufgabe, die Jugendlichen zu befähigen, für ihre Krankheit selber Verantwortung zu übernehmen. Die Bildungs- und Sozialversicherungssysteme sind gefragt, Lösungen für eine berufliche und finanzielle Existenzsicherung anzubieten.