11.3 Wie und wo Kinder in der Schweiz sterben

Im Jahr 2017 verstarben in der Schweiz 460 Kinder, mehr als die Hälfte davon im Neugeborenenalter. Nebst Komplikationen rund um Schwangerschaft und Geburt sind angeborene Fehlbildungen, z. B. genetische Erkrankungen mit komplexen Krankheitsbildern, die häufigste Todesursache. Weitere Informationen zu Todesursachen bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind im Kapitel Demografie zu finden.

     Wie und wo Kinder mit einer lebenslimitierenden Erkrankung in der Schweiz versterben, wurde im Rahmen der nationalen Studie Paediatric End-of-LIfe CAre Needs in Switzerland (PELICAN-Studie, 2012–2015) untersucht. Das Ziel der PELICAN-Studie war, den Stand der Betreuung von lebenslimitiert erkrankten Kindern am Lebensende und deren Familien zu erfassen, um daraus Empfehlungen abzuleiten, wie den Bedürfnissen dieser Kinder und ihrer Familien sowie der beteiligten Fachpersonen am besten entsprochen werden kann. Dazu wurden die letzten vier Lebenswochen von 149 Neugeborenen, Kindern und Jugendlichen, die in den Jahren 2011 oder 2012 verstorben waren, anhand der Krankengeschichten analysiert. Die Eckzahlen sind Tabelle T11.1 zu entnehmen.

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T11.1

     Die Kinder litten zusätzlich zu den im Vordergrund stehenden Schmerzen an einer Vielzahl von Beschwerden. In den letzten vier Lebenswochen wurde bei jedem dritten Kind ein Eingriff durchgeführt, der eine Narkose erforderte. In den letzten 24 Stunden vor dem Tod erfolgte bei fast jedem fünften Kind ein Wiederbelebungsversuch. Bei vier von fünf Kindern, die auf der Intensivstation starben, wurde vorgängig die Entscheidung getroffen, lebenserhaltende Massnahmen abzubrechen.

     Knapp die Hälfte aller Kinder verbrachte während der letzten vier Lebenswochen mindestens einen Tag zuhause. Die Hälfte von ihnen wurde zuhause von einer Kinderspitex pflegerisch betreut (Zimmermann et al., 2018). Die Bedürfnisse von Kindern mit lebenslimitierenden Krankheiten und deren Familien sind vielschichtig und umfassen eine vertrauensvolle Beziehung zu den Fachpersonen, eine aufrichtige Kommunikation und den Einbezug in Entscheidungen, eine Linderung der Beschwerden des Kindes und eine koordinierte und kontinuierliche Betreuung, die über den Tod des Kindes hinausgeht (Aschenbrenner, Winters, & Belknap, 2012; Melin-Johansson, Axelsson, Jonsson Grundberg, & Hallqvist, 2014; Stevenson, Achille, & Lugasi, 2013).

     Die in der PELICAN-Studie befragten Eltern verstorbener Kinder (n=200) berichteten grundsätzlich über gute Erfahrungen und zeigten sich zufrieden mit der Betreuung ihres Kindes. Zufrieden waren sie vor allem mit den Anstrengungen der Fachpersonen, das Leiden und die Schmerzen ihres Kindes zu lindern. Unzufriedenheit zeigte sich vor allem in Bezug auf die Kontinuität und Koordination der Betreuung. Beides ist wichtig, um die elterliche Sicherheit und das Vertrauen in die Betreuung ihres Kindes zu stärken (Zimmermann et al., 2016).

     Die in der PELICAN-Studie interviewten Fachpersonen (n=48) aus den Bereichen Medizin, Pflege, Psychologie, Seelsorge und Musiktherapie sahen die Betreuung sterbender Kinder als wichtige Aufgabe an, die jedoch ausserhalb ihres gewohnten, mehrheitlich kurativ ausgerichteten Tätigkeitsrahmens liegt. Die Befragten hatten keine spezifische Weiterbildung in PC, regelmässig aber Kontakt mit sterbenden Kindern. Mangelndes Wissen, fehlende Weiterbildungsmöglichkeiten und Richtlinien für die Betreuung unheilbar kranker und sterbender Kinder waren für die meisten Fachpersonen eine Belastung. Spezialisierte pädiatrische PC-Teams wären für viele eine wichtige Unterstützung. Fachpersonen wünschten sich, dass in der Gesellschaft und auf politischer Ebene ein stärkeres Bewusstsein entsteht, dass auch Kinder sterben und spezifische Bedürfnisse haben (Bergsträsser, Cignacco, & Luck, 2017).