6.2 Stoffwechselerkrankungen

Schilddrüsenhormonmangel (Kongenitale Hypothyreose)


Die kongenitale Hypothyreose, ein Schilddrüsenhormonmangel bei Geburt, ist die häufigste angeborene Stoffwechselerkrankung (American Academy of Pediatrics et al., 2006). Eine gesunde prä- und postnatale Gehirnentwicklung ist von einer angemessenen Versorgung mit Schilddrüsenhormonen abhängig. Die kongenitale Hypothyreose ist die häufigste vermeidbare Ursache mentaler Retardierung (Szinnai, 2012). Im Rahmen des neonatalen Screening, welches insgesamt 13 verschiedene Krankheiten bei Geburt untersucht, wird deshalb das TSH (Thyreoidea Stimulierendes Hormon) jedes Kindes gemessen (Rastogi & LaFranchi, 2010). Es gibt Formen verminderter Schilddrüsenhormon-Produktion, die vorübergehend sind (transiente Hypothyreosen), z. B. bei Jodmangel. Häufiger aber handelt es sich um eine permanente, primäre kongenitale Hypothyreose.

     Das neonatale Screening in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein weist eine Inzidenz von rund 1:3600 Neugeborenen aus (Kinderspital Zürich, 2018). Dank der frühen Diagnosestellung und Behandlung kommt es kaum noch zu gesundheitlichen Schäden. International finden sich ähnlich hohe Inzidenzen: zwischen 1: 4000 und 1: 2000 (American Academy of Pediatrics et al., 2006; Léger et al., 2014; Rastogi & LaFranchi, 2010).

Die kongenitale Hypothyreose ist mit einer Inzidenz von 1 : 3600 Neugeborenen die häufigste angeborene Stoffwechselerkrankung.

Jodmangel


Jod ist ein wichtiger Grundstoff für die Schilddrüsenhormone. Ein Mangel führt zu Störungen der Schilddrüsenfunktion. Eine Studie zu Jodmangel aus dem Jahr 2010 hatte gezeigt, dass in der Schweiz die Jodausscheidung bei etwas über einem Drittel der Kinder und fast der Hälfte der schwangeren Frauen unter dem empfohlenen Wert der WHO lag (100 μg/l für Schulkinder bzw. von 150 μg/l für schwangere Frauen) (Andersson et al., 2010). In einer neueren Studie aus dem Jahr 2015, lag der Median von Frauen im gebärfähigen Alter bei 88 μg/l (IQR: 45–171 μg/l) und der Median von Schwangeren bei 140 μg/l (IQR: 65–313 μg/l) und somit unter den jeweiligen empfohlenen Schwellenwerten der WHO. Der Medien der Schulkinder hingegen lag 2015 mit 137 μg/l  (95% CI (131, 143) im empfohlenen Bereich (Andersson & Herter-Aebli, 2018).

Zuckerkrankheit (Diabetes)


Diabetes ist eine Erkrankung, bei der die Fähigkeit des Körpers, den Kohlenhydratstoffwechsel und den Blutzuckerwert durch das Hormon Insulin zu regulieren, gestört ist. Die Überzuckerung des Blutes hat verschiedene kurzfristige Beschwerden, aber auch langfristige gesundheitliche Schäden zur Folge.

International und auch in der Schweiz wird ein Anstieg von Diabetes Typ 1 und Typ 2 beobachtet, insbesondere bei jüngeren Kindern.

     Beim Diabetes Typ 1 werden die Zellen der Bauchspeicheldrüse, die Insulin produzieren, vom Immunsystem des Körpers zerstört. Der Typ 2 ist gekennzeichnet durch eine Insulinresistenz, häufig aufgrund von Adipositas. Die Therapie des Diabetes mellitus hat sich insbesondere für den Typ 1 in den vergangenen 10–20 Jahren enorm entwickelt und ermöglicht heutzutage den Betroffenen ein nahezu normales Leben (Prahalad et al., 2018).

     Schätzungen der Krankenkasse Helsana zufolge lagen die Prävalenzen für Typ 1 und 2 in der Schweiz 2011 und 2012 bei 110–120 Erkrankten pro 100 000 Kinder, was vermuten lässt, dass es rund 2400 an Diabetes erkrankte Kinder zwischen 0 und 14 Jahren (Obsan, 2015) gab. In der national angelegten SOPHYA-Studie (2013) hatten 3 der 1500 6–16-jährigen Probanden eine Diabetes-Diagnose, was hochgerechnet auf die Schweiz 200 Kinder und Jugendliche pro 100 000 ergibt (Bringolf-Isler et al., 2016). Daten des EURODIAB-Registers, an dem die Schweiz beteiligt ist, weisen für die allermeisten europäischen Länder steigende Inzidenzraten aus, ein Trend, der auch von anderen Studien belegt ist (Karvonen et al., 1999; Schoenle et al., 2001; WHO, 2018b). In der Schweiz lag die Inzidenz von Typ 1 in der Altersgruppe der 0–15-Jährigen 1991–1993 bei 7,9 pro 100 000, 2009–2013 war sie doppelt so hoch, nämlich bei 13,3 pro 100 000 (Patterson et al., 2019). Im Jahr 2013 waren 3200 Fälle mit Diabetes Typ 1 registriert (Patterson et al., 2019). Gemäss der SGB war die Prävalenz für Diabetes bei 15–24-Jährigen in den bisherigen Erhebungen jeweils unter 1% (2017: 0,9% bei Frauen und 0,6% bei Männern). Da Diabetes weiterhin im mittleren bis späten Erwachsenenalter häufiger auftritt und eine chronische Erkrankung ist, ist in der Bevölkerung zwischen 15 und 75 Jahren die Prävalenz aktuell bei 4% (BFS, 2018a).

Zystische Fibrose (Mucoviszidose)


Zystische Fibrose (CF) ist eine der häufigsten Erberkrankungen in der Schweiz. Die angeborene Stoffwechselerkrankung, die mit einer Fehlfunktion der sekret- und schleimbildenden Drüsen einhergeht, wird vererbt, wenn beide Eltern das Gen besitzen (autosomal rezessiv). In der Schweiz geht man von 4% Genträgern aus. Bei der klassischen CF zeigen circa 10% der Kinder bereits im Neugeborenenalter erste klinisch relevante Symptome. Im Kindes- und Jugendalter erkranken die Patientinnen und Patienten vor allem an wiederkehrenden Entzündungen der Bronchien und Lunge (rezidivierende Bronchitiden und Pneumonien) oder leiden an sekundären Erkrankungen des Herzens, der Bauspeicheldrüse und Leberentzündungen. Circa 5% der aktuell lebenden CF-Patientinnen und Patienten in der Schweiz haben eine Lungentransplantation und 0,5% eine Lebertransplantation erhalten (ECFS Report 2015).

In der Schweiz kommen circa 25–37 Kinder pro 100 000 Geburten pro Jahr mit Zystischer Fibrose auf die Welt. Dank frühzeitiger Diagnose und ­Erfolgen in der Therapie steigen Lebenserwartung und Lebensqualität stetig.

     Dank moderner Therapien ist die Überlebenswahrscheinlichkeit der Kinder deutlich gestiegen. Für Kinder, die nach dem Jahr 2000 geboren wurden, darf man von einem medianen Lebensalter von 50 Jahren ausgehen (Paediatrica 2008). Die CF ist seit 2011 im neonatalen Screening eingeschlossen. CF-Zentren melden seit 2015 ihre Daten an das «European Cystic Fibrosis Society Patient Registry». Die Anzahl Kinder, die jährlich mit der Erkrankung geboren werden, schwankt. Im Jahr 2017 waren es 25 pro 100 000 Neugeborene, im Jahr 2011 37 pro 100 000.

     Von den in der Schweiz im Jahr 2015 insgesamt 966 an Zystischer Fibrose erkrankt gemeldeten Personen waren circa die Hälfte unter 18 Jahre alt war (ECFS Report 2015). Das Alter bei Diagnose lag im Median bei sechs Monaten (Durchschnitt: 2,7 Jahre), 15% aller lebenden Patientinnen und Patienten wurden bereits im Rahmen des Neugeborenen-Screening diagnostiziert (ECFS-Report 2015). Die Schweiz ist bezüglich Prävalenz der CF, der Diagnosestellung, Versorgung oder Lebenserwartung mit anderen europäischen Ländern vergleichbar (ECFS Report 2015).