8.14 Fazit

Die extensive Literaturrecherche zum Thema digitale Medien und Gesundheit, auf der dieses Kapitel basiert, hat eine Vielzahl von Befunden und Gegenbefunden zu Tage gebracht. Studien aus der Schweiz gibt es nur wenige. Trotz des breiten Medienangebots für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sind die gefundenen mit der Nutzung digitaler Medien in Verbindung stehenden Gesundheitseffekte oftmals klein.

     Die gefundenen Studien sind in ihrer Aussagekraft sehr beschränkt: Bei einem Grossteil handelt es sich um Querschnittstudien, also einmalige Erhebungen, mit denen die Ursächlichkeit zwischen digitaler Mediennutzung und gesundheitlichen Problemen nicht belegt werden kann. Etliche Studien basieren auf kleinen Stichproben und verfügen so nur über eine ungenügende statistische Macht («underpowered»), Weiter untersuchen die meisten Studien vor allem die potenziellen negativen gesundheitlichen Effekte der Mediennutzung, positive Effekte werden weniger häufig untersucht. Zudem werden oft nur signifikante Resultate publiziert, während Studien, welche keinen Zusammenhang aufzeigen, nicht veröffentlicht werden («Publikations-Bias»). Es sind deshalb alle aufgeführten Befunde mit Zurückhaltung zu interpretieren.

     An dieser Stelle sei erwähnt, dass die Evolution der Medien auch in Zukunft weiter voranschreiten wird. Neue Technologien werden fortlaufend entwickelt und zur Anwendung gebracht. Individuum und Gesellschaft bleiben auch zukünftig gefordert und müssen sich fortlaufend an neue Tendenzen und Angebote anpassen. Gesundheitliche Aspekte müssen dabei im Auge behalten werden.

     Übergreifend lassen sich die wichtigsten Erkenntnisse zu Medienumgang und Gesundheit und Entwicklung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen wie folgt zusammenfassen:

  • Es gibt derzeit keinen eindeutig belegten Zusammenhang zwischen hochfrequenten elektromagnetischen Strahlen und der Entwicklung von Hirntumoren, auch nicht zwischen niederfrequenten elektromagnetischen Strahlen und der Entwicklung von Leukämie bei Kindern. Die Studienbefunde sind jedoch heterogen.
  • Digitaler Medienkonsum, insbesondere Fernsehkonsum, kann mit Bewegungsmangel und Übergewicht einhergehen. Bewegungsmangel und übermässige Beanspruchung von einzelnen Körperteilen durch repetitive Bewegungen stehen auch im Zusammenhang mit muskuloskelettalen Beschwerden.
  • Kurzfristig kann die Bildschirmnutzung zu übermüdeten, trockenen, geröteten und tränenden Augen sowie Schwierigkeiten bei der Fokussierung führen. Für langfristige Effekte fehlen empirische Studien.
  • Blaues Bildschirmlicht vor dem Zubettgehen kann das Einschlafen verzögern. Die Nutzungsdauer von Mobiltelefonen sowie deren Aktivität durch die Nacht kann den Schlaf stören.
  • Medien können sowohl stressinduzierend wie auch stressreduzierend eingesetzt werden. Nutzungsintensität und konsumierte Inhalte spielen dabei eine Rolle.
  • Idealisierte medial dargebotene Körperbilder können vor allem bei Mädchen, die bereits vorgängig unzufrieden mit dem eigenen Körper sind, mit negativen Effekten wie z. B. Essstörungen einhergehen.
  • Medien können sowohl ein entwicklungsförderndes wie auch ein -hemmendes Potenzial entfalten. In vielen Fällen machen die Dosis und der Inhalt das Gift.
  • Mediale Gewalt kann in spezifischen Fällen ein Risikofaktor für Aggression sein. Ob diese Aggression auch zu realer Gewalt führt, ist umstritten.
  • Unter exzessivem Onlineverhalten (Online- oder Internetsucht) wird ein breites Spektrum an Ausprägungen subsummiert. Es fehlt ein einheitliches Störungsbild. Die spezifische Ausprägung von Onlinesucht unterscheidet sich zwischen den Geschlechtern: Bei Jungen stehen vermehrt Videogames im Fokus, bei Mädchen sind es soziale Netzwerke.
  • Exzessives Onlineverhalten steht in Zusammenhang mit Einsamkeit und Depressivität. Opfer von Cyberbullying-Attacken sind vulnerabler für Depressions- und Angststörungen.

     All die oben aufgeführten Befunde verdeutlichen, dass Effekte der Mediennutzung nicht durchgängig sind und dass neben der Form der Mediennutzung persönliche und psychosoziale Faktoren eine wichtige Rolle spielen. Nicht zuletzt soll auf eine Reihe von positiven Effekten von digitalen Medien hingewiesen werden. Diese entfalten ihre Wirkung vor allem durch den niederschwelligen Zugang zu Gesundheitsinterventionen und -edukation. Insbesondere Smartphones und entsprechende Apps spielen dabei eine grosse Rolle, da sie ständige Begleiter vieler Kinder und Jugendlichen sind.

     Auf Grundlage der oben genannten Befunde lassen sich für die Nutzung digitaler Medien mehrere gesundheitsrelevante Empfehlungen formulieren:

  • Um Medien entwicklungsfördernd einsetzen zu können, braucht es Medienkompetenz. Diese muss bereits bei Kindern, aber auch bei Eltern gefördert werden. Geräte, die Kinderschutzfunktionen aufweisen, helfen dabei, Kinder vor inadäquaten Inhalten zu schützen.
  • Erwachsene sollten sich ihrer Vorbildrolle hinsichtlich des Medienkonsums stets bewusst sein.
  • Eine Balance zwischen medialen und non-medialen Tätigkeiten ist wichtig. Aktivitäten, wie freies Spielen und Sport, schaffen körperlichen Ausgleich und helfen nicht nur gegen Beschwerden, die in Zusammenhang mit digitalem Medienkonsum auftreten können, sondern auch gegen Übergewicht und schlechten Schlaf.
  • Die Nutzung digitaler Medien vor oder nach dem Zubettgehen ist zu vermeiden, vor allem bei Geräten, welche einen hohen Anteil an blauem Licht ausstrahlen. Die Aktivierung der Funktion zur Dämmung des blauen Lichts («Night Shift», «Night Mode» usw.) kann den Effekt reduzieren. Zudem empfiehlt es sich, digitale Medien aus den Schlafzimmern generell zu verbannen oder mindestens das Mobiltelefon während der Schlafenszeit auszuschalten oder den Flugmodus zu aktivieren.
  • Führt die Nutzung von digitalen Medien häufig zu Stress oder zu Konflikten in der Schule, bei der Lehrstelle oder in der Familie, ist es ratsam, den Medienumgang zu hinterfragen und anzupassen. Gelingt dies nicht, kann der Einbezug einer Fachperson hilfreich sein. Eltern sollten vor allem bei Kindern im Vorschulalter den Medienkonsum im Blick haben.
  • Es ist darauf zu achten, dass Computerarbeitsplätze ergonomisch und vor allem auf die Grösse der Kinder und Jugendlichen eingerichtet sind. Eine korrekte Haltung, häufige Pausen, Wechseln der Position sowie das Beschränken der Mediennutzungszeit helfen, verschiedene Symptome und Beschwerden, die bei der Nutzung digitaler Medien auftreten, zu vermeiden.
  • Um die Exposition elektromagnetischer Strahlung zu reduzieren, ist es ratsam, längere Telefonate vom Mobiltelefon über ein kabelgebundenes Headset oder einen Kopfhörer zu führen. Dies vor allem dann, wenn der Empfang des Gerätes schlecht ist.